Der „Biketrain“ rollt von Verona in Richtung Venedig

Der „Biketrain“ rollt von Verona in Richtung Venedig

Ich hatte eine gute Nacht, dank Klima-Anlage – bei so einer tropischen Nacht ist es wunderbar, wenn man sich auf angenehme 23°C runterkühlen kann. Es ist so erfrischend in der Früh aufzustehen. Umso krasser ist der Hammer, wenn du vor die Türe trittst. Ja heute steht eine große Etappe an und ich hoffe, dass Alles einigermaßen klappt – nicht so wie Gestern. Mein Hänger ist gepackt und an mein Rad gekoppelt – Abfahrt. Fabio hatte mir gestern noch Veronas Himmelsrichtungen verdeutlicht und so startete ich Richtung Süden so nach Padua.

„Läuft!“ dachte ich mir … ja ja denkste … Bis zur ersten Kreuzung und da trenten sich unsere Wege – weil nämlich Richtung Padova keine Bicicletta fahren dürfen. Zumindest nicht auf diesem Weg. Nun die Abenteuerlust war geweckt und ich fuhr einfach südlich – irgendwo da ganz weit weg muss das Meer sein – und da will ich hin, also Los! Ich lass mich doch von so einem blöden Schild nicht aus der Ruhe bringen. Außerdem trug ich noch die kühle des Airconditioners in mir.

Von wegen Radtour? – Pfadfinderausflug!

Und so rollerte ich mal wieder ins Ungewisse. Na ja – ich hatte ja Zeit und an jeder Kreutzung, auf die ich traf, machte ich kurz halt, schaute in mein „ich will Dich nicht navigieren“-Maps rein, ob ich den nächsten Punkt finde – so ein wenig wie beim Geocaching, nur dass ich eine Stadt zu finden versuchte. Die Temperaturen stiegen mittlerweile schon wieder auf krasse 38°C an. Es war weit und breit kein Schatten in Sicht, also fahr kleiner Biktrain, denn durch den Fahrtwind kam es mir ein wenig kühler vor. Heute musste ich wirklich immer daran denken, für die Strecken genügend Wasser an Bord zu haben und es mir auch bis zur nächsten kleinen Gemeinde einzuteilen.

So fuhr ich von Punkt zu Punkt und keine Menschenseele war zu sehen. Es war Sonntag – kein Wunder also – die lagen bestimmt alle in ihren klimatisierten Häusern und dachten sich beim Rausschauen „schaut euch den Biketrain-Lokführer an! Der ist ja mal drauf“ (Nur so eine Hypothese meinerseits). Eigentlich ganz schön, wenn man auf den großen Straßen nicht unterwegs sein darf – so kommt man auch in den Genuss Italiens Hinterland kennen zu lernen.

Sonntags einkaufen ist doch kein Problem außerhalb Deutschlands?!

Jetzt war es soweit mein Wasservorrat neigte sich dem Ende zu. Da heute Sonntag ist und alle Tankstellen auf Automatik umgestellt sind ist also auch kein Barbetrieb. Ich habe aber auf meiner Reise dazu gelernt und Sportbars haben offen und dort gibt es auch immer kühle Getränke zu Kaufen. Ich kam gerade an einer Vorbei und nutzte die Gelegenheit meinen Flüssigkeitsvorrat ausreichend zu füllen. Es ist schon immer Witzig, wenn man so eine Bar betritt: Jeder schaut dich ganz verwundert an, als ob du von einem anderen Stern kommst. Aber Angriff ist die beste Verteidigung und mit meiner Erscheinung und dem Gerede kann ich dann doch das Eis (hihi) immer brechen. Also ab zum Kühlschrank und sich freuen.

Lecker, schlürf. Ich habe mich noch eine Weile dort niedergelassen, bevor es dann weiterging . Die Stationen die ich alle durchfuhr kann ich leider nicht aufzeigen, das würde den Rahmen ein wenig sprengen – aber so viel mag gesagt sein: es waren eine Menge – Italens südliches Hinterland – Wow. Also fuhr ich weiter und hatte auf meinem kleinen Garmin schon 80 km stehen. „OK?!“ dachte ich mir und so nahm ich mir nochmal eine kleine Auszeit. Wie ihr euch denken könnt, fordert die Hitze echt ihren Tribut. Also suchte und fand ich ein nettes Schattenplätzchen zum Ausruhen.

Wir haben doch keine Zeit

Nach kurzem Verweilen – auch wenn es schön war – musste ich weiter. Ich hatte ja noch ein paar Kilometer vor mir und es waren immer endlos erscheinende Straßen, die vor mir lagen. Aber es hilft nichts Arschbacken zamkneifen und los ging es. Die Fahrt ging so dahin und auf einmal tauchte ein Radfahrer neben mir auf. Und das, obwohl ich die ganze Zeit einen 22iger Schnitt fuhr, was garnicht mal so langsam ist. Er rief mir ein „Ciao“ entgegen, ebenso wie seine Partnerin – und schon war er wieder da der schöne Moment – echt cool.

Die beiden verschwanden dann so langsam und ich kehrte wieder in meinen Rhytmus zurück und schwitzte mir einen km nach dem anderen heraus. Am Horizont war eine Kurve zu erkennen und als ich diese befuhr kam ich an eine wirklich imposante Stadtmauer mit vielen Türmen und Erkern. Beim vorbeifahren bewunderte ich diese noch ehrfürchtig, bis ich an eine Ampel kam. Und wer Stand dort auch, die beiden Radfahrer, die mich nur wenige km zuvor Überholt hatten.

Mal wieder geträumt

„Garnicht schlecht dein Tritt“, dachte ich. Als die Ampel grün wurde starteten wir gemeinsam und natürlich fuhr ich in die gleiche Richtung ohne auf die Schider zu achten. Das stellte sich als blöde Entscheidung heraus, denn es war natürlich die falsche Richtung und ich musste den Weg wieder zurück, bis ich wieder auf meiner Straße nach Padova war. Mittlerweile hatte ich ganz gut Strecke gemacht und ich merkte wie meine Kraft etwas nachgelassen hat. Da war eine Tankstelle – juhu- Timeout – und so fuhr ich ab. Da waren sie die drei Säulen der Erfrischung – man tut das gut.

Allzu lange sollte ich aber nicht bei den drei Säulen bleiben. Die Zeit arbeitet gegen mich und ich hatte noch viele km vor mir. Es geht halt immer geradeaus und es stellt sich eine gewisse Monotonie ein. Ich bin mehr damit beschäftigt meine Sitzposition und die Haltung am Lenker zu verändern. Zumindest war auf den Schildern an denen ich vorbei kam schon Padua zu lesen. Ein Lichtblick – dachte ich mir zumindest. Es sollte anders kommen – wie so oft. Auf meiner Uhr standen jetzt schon über 100 km drauf und ich schlussfolgerte, dass ich bald da sein müsste. Mein Vorrat an Wasser ging wieder mal zur neige und ich kam Gott sei Dank an einer Sportbar vorbei.

Es wird einfach nicht leichter

Ritualgebend machte ich meinen kleinen Einkauf und den ersten Schluck nahm ich dann auch gleich vor Ort. Weiter ging es – Padua noch 25 km, na das ist doch in Ordnung. Aber was ich jetzt schon herausgefunden habe, sind Städte und der „Biketrain“ in keinster Weise kompatibel. So war es dann auch. Ich hielt an, um meine klene Navigation neu zu Programmieren. Ich hatte noch die Hoffnung, dass ich vielleicht heute doch noch an mein Ziel gelangen sollte. Es ging los und ich fuhr quer durch die Stadt. Links, rechts und geradeaus und das ganze wiederholte sich ein dutzend mal. „Ohhhh maaaaan!“. Na ja, Ruhe bewahren und immer brav den Anweisungen folgen.

Als ich so hin und her bog, kam ich dann zu meinem Glück an einem Obstladen vorbei und ich musste Anhalten. Natürlich war heute an Nahrungsaufnahme nicht zu denken und das merkte ich auch langsam. Also kaufte ich mir zwei Nektarinen zu einem unvorstellbaren Preis von 0,20 € – super. Die waren sooooo lecker und als ich so dastand und mein Obst genoss sprach mich ein Italiener an und fragte, wo ich her kam und wo es hingehen soll. Ich erzählte ihm meine Geschichte und er mir seine. Auch sagte er mir, dass ich auf dem richtigen Weg sei. Es fiel mir ein Stein vom Herzen, als ich das aus seinem Munde hörte. Wir verabschiedeten und er wünschte mir noch eine gute Reise.

Abfahrt – der „Biketrain“ setzte sich wieder in Bewegung. Ich folgte den Anweisungen meiner Bekanntschaft und auch meines kleinen Garmins. Bis jetzt sah es gut aus – das sollte allerdings nicht von langer dauer sein. Es ging wieder hin und her, eine Kurve nach der anderen und wieder abbiegen – dann ein Schild auf dem Stand 8km bis Padova. „Man, bin ich wieder nur im Kreis gefahren?!“ Die Navigation kam an die Grenzen und sagte mir andauernd „Bitte wenden“. Super, wenn du schon ca. 140 km in den Beinen hast und das bei der Hitze, das macht echt Mut und Laune.

Das Mantra motiviert

„Hmmm ich bin halt auf Reisen“ und so fuhr ich weiter aber „wohin?“, das ist eine Frage, die ich mir da stellte. Es war mittlerweile schon ziemlich spät – so gegen 19:00 Uhr – und kein Ziel vor Augen. Also Ziel schon, aber wo und wie erreichbar? Da musste ich jetzt durch, Aufgeben war keine Option und so rollte ich weiter. Es war immer noch ziemlich heiß und mein Getränkevorrat war auch schon wieder erschöpft. Zum Glück, bei meiner ganzen Abbiegerei, kam ich mal wieder an einer Bar vorbei. Also bin ich abgestiegen und ging zum Kühlschrank um Wasser + Eistee für den Zuckerhaushalt zu holen. Passt. Beim Zahlen fragte ich doch sicherheitshalber nochmal nach dem Weg und die Antwort war sehr ernüchternd.

Also Venedig scheidet für heute wohl aus, denn das waren laut Angaben meiner Wegbeschreibungs-Partner*innen nochmals ca. 100 km. WHAT!!!! Ich konnte es nicht glauben – Ohhhh ne „Und jetzt?!“ dachte ich mir? Was machste? Ja ich hab ja Licht dabei und dann läuft die Sache schon irgendwie. Erstaunlich ist, wie auf einmal alle in der Bar einen totalen Ehrgeiz entwicklelten, mir auf die Spur oder auf den Weg zu helfen – echt wunderbar. Es wurden alle Register gezogen und Gäste sowie das nette Mädchen hinter der Bar überschlugen sich förmlich mir den passenden Weg zu Erklären.

Letzte Chance für eine Übernachtung?

Ich Stand nur da und beobachtete das Geschehen rund um mich. Cool – aber fahren muss ich wohl selber. Eine Stunde war vergangen und dann hatten wir für mich die beste Alternative gefunden: „Du fährst heute nur noch nach Sottomarina.“ Gesagt getan. Ich stattete meinen „Biketrain“ mit Licht aus und ab ging die erste Nachtfahrt. Schon ein wenig Abenteuerlich so in der Nacht ganz alleine und keine Ahnung wo es hinging – doch diesmal ließ mich meine Navigation nicht im Stich und ich fuhr meinem Ziel geradeaus entgegen. Super – es lief wie am Schnürchen und ich kam bei angenehmen 26 °C gut voran.

Das einzige was echt gruselig war, sind eine Menge Autos die mir andauernd entgegen kamen. Ich suchte mir schon immer einen Fluchtweg in einen Straßengraben aus, wenn mich doch einer mal Übersehen sollte. So ging die Nachtreise vorran. Ich kam gut voran denn nach gefühlten ein-einhalb Stunden hatte ich doch ernsthaft das Meer erreicht – Wow 70 km in der Nacht. Es dauerte bestimmt länger, dennoch fühlte es sich echt kurz an. Das Meer – ich habe es nun endlich erreicht, aber es war auch schon 01:00 Uhr in der Nacht. Tja – Campingplatz ist wahrscheinlich zum Einchecken zu spät oder auch zu früh – kann man so oder so betrachten.

Langsam find‘ der dag sei‘ end‘

Na gut – wenn ich eh schon on Tour bin, dann halt weiter nach Venedig. Oder auch nicht – die Straße war gesperrt. Es war kein Durchkommen – eine Nachtbaustelle verhinderte die Weiterfahrt. Was nun – ich hatte einfach keine Kraft mehr nach ca. 240 km in den Beinen durch die ganze Verfahrerei. Also wollte ich nur noch meinen Körper irgendwo Niederlegen und so fuhr ich in ein nahegelegendes Industriegebiet um da vielleicht eine Möglichkeit für ein bisschen Schlaf zu finden.

Eine Wiese direkt am Meer mit Aussicht auf die Baustelle brachte dann schließlich die Erlösung. Zuerst dachte ich ja, es gibt bestimmt noch eine Chance sich an der Baustelle vorbei zu mogeln, aber Fehlanzeige. Also machte ich die Nacht mit vielen Moskitos zu einer schlaflosen Nacht – Gute Nacht. Die Sonne ging auf – zum Glück

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